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Shadowboxer – Wie flache Retrospiele in die 3. Dimension ausbrechen

gamescom 2017 Retro Ausstellung: Die Schattenboxer
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Während es die gamescom Besucherströme vorwiegend in die Mainstreamhallen zu den Big Playern lockt, so gibt es gleichwohl jedes Jahr, fast schon versteckt, sehr schöne Kunstausstellungen zu bewundern. Ob Peter Schönwandts Pixelkunst aus alten Tasten oder Supersample – Pixels at an Exhibition, die vergangenen Messejahre boten immer auch ein Eiland an sehenswerter Analogkunst. Und so gab es ebenfalls 2017 eine Bildergalerie, die ihr gesehen haben solltet: Die Shadowboxer!

Kunst aus Licht, Schatten & Ebenen

Das Spiel aus Licht und Schatten ist immer schon ein künstlerisches Werkzeug, um Objekte in Szene zu setzen. Kommt noch die dritte Dimension ins Spiel, entsteht der Eindruck von Tiefe, Räumlichkeit; die Szenerie erscheint greifbar. Dies funktioniert auch mit Videospielen, und dabei meine ich nicht das Setzen von Licht im Spiel oder die neueren Entwicklungen hin zur stereoskopischen Videospielrezeption mittels VR-Brillen. Vielmehr geht es um den Rückweg, um den Medienwechsel von digitalen 2D Retrospielen hin zu physischen, analogen 3D-Objekten.

Die beiden Stuttgarter Stefan (33) und Daniel (34) machen mit ihrem Projekt Shadowboxer genau das: Sie nehmen Spielszenen aus popkulturell bekannten Retrospielen, z. B. Metroid, Metal Slug oder Contra und verwandeln sie in Objektrahmen, sogenannte Shadowboxen. Das sind 3D-Bilder, die grafische Elemente und Sprites der ursprünglichen Videospiele beinhalten. Die gedruckten Elemente werden dann in Schichten so übereinander angeordnet, dass eine prägnante Szene entsteht, die stellvertretend das Spiel oder einen Ausschnitt daraus repräsentiert. Durch das Nutzen von vielen einzelnen Darstellungsebenen entsteht ein Tiefeneindruck, den diese Spieleklassiker niemals hatten.

Die Shadowboxer Daniel und Stefan aus Stuttgart

Die Shadowboxer Daniel und Stefan aus Stuttgart

Wie entstand die Shadowboxer Idee?

Die Technik der Shadowboxen an sich ist nicht neu, die Verbindung mit nostalgischen Videospielen dagegen schon. Und so drängt sich die Frage auf, wie die Idee aufkam, Retro und 3D-Rahmen zu verbinden. Die beiden Künstler, die hinter Shadowboxer stehen, erzählen mir ihre Geschichte und wie es dazu kam, diese Art Kunst anzufertigen.

Daniel: Ich wollte etwas in Richtung Retro in meiner Mancave haben und begann mit dem Thema Bügelperlen, bis ich jedoch gemerkt habe: Ich kann gar nicht bügeln! Ich habe mir aber gedacht mit 16 Jahren Berufserfahrung in der Druck- und Medienbranche, kann ich doch bestimmt etwas in diesem Bereich machen. Ich habe dann angefangen mir Sprites anzuschauen und geschaut ob sich daraus nicht etwas bauen ließe. Ich habe dann die grundlegende Technik der Shadowboxen gefunden und so ist es dann Stück für Stück gewachsen.

Stefan: Daniel hat im Februar 2017 damit begonnen und ich bin offiziell im März dazu gestoßen. Ich bin vorwiegend für das technische zuständig. Wir haben beispielsweise schon Rahmen mit LEDs probiert. Und natürlich um an die Grafiken zu gelangen, bin ich mit im Boot. Und nun stehen wir nach wenigen Monaten hier auf der gamescom mit 24 Shadowboxen; insgesamt haben wir schon 35 gemacht. Es hat sich alles sehr schnell entwickelt. Mein großer Anteil ist dann noch die Verbindung zur Community. Durch meine Sammelleidenschaft bin ich in den Retrogruppen verankert und habe auch den Kontakt zu Factor 5 hergestellt.

Und so sind die beiden nun mit Factor 5 im Gespräch, lizenzierte Shadowboxen derer Spiele zu produzieren. Dabei ist nicht nur Turrican möglich, denn wie dieses Jahr bekannt wurde, hat sich das wiedervereinigte Studio sämtliche Videospiel-Lizenzen von Rainbow Arts und Softgold gesichert.

Eine Kooperation mit Factor 5 ist für die beiden Künstler ein großes Ziel, denn urheberrechtlich ist die Produktion ihrer Rahmen bisher nicht so einfach, weshalb sie seit einiger Zeit rechtliche Beratung einholen, um keine lizenzrechtlichen Probleme zu bekommen. Schließlich werden für die Shadowboxen die originalen Spielgrafiken verwendet und in akribischer Feinarbeit aus den Games extrahiert. Eine erste Turrican-Shadowbox, haben die beiden auf Wunsch von Factor 5 bereits angefertigt:

Turrican hängt mit Flammenwerfer an einem Shuttle. Shadowbox in der gamescom Vitrine von Factor 5.

Turrican hängt mit Flammenwerfer an einem Shuttle. Shadowbox in der gamescom Vitrine von Factor 5.

Wie entstehen die Shadowboxen?

Diese Frage lässt ein wenig in die Arbeitsweise hineinblicken und zeigt den großen Aufwand, der hinter einer vermeintlich kleinen 3D-Shadowbox steht. Die zugrundeliegende Shadowbox Gestalttechnik ist nicht neu, wie hingegen die Pixelgrafiken herbeigeschafft und aufbereitet werden müssen, ist dagegen eine spannende Geschichte, die das Projekt ausmacht:

Stefan: Auf der Original Hardware müssen wir die originalen Games bis zur entsprechenden Stelle spielen, um dann die einzelnen Ebenen, die von den Spieleprogrammierern ursprünglich aufgebaut wurden, der Reihe herauszuarbeiten. Diese lassen sich per Befehl ein- und ausblenden. Dazu wird das Videosignal an den PC gesendet und mit einem speziellen Tool verarbeitet. So kommen wir an alle, insbesondere auch die hinteren Sprites heran, die im Spiel teilweise verdeckt sind, aber in unserem 3D-Arrangement sichtbar werden. Es handelt sich also nicht um einfache Screenshots, aber auch nicht um klassisches Reverse Engineering. Features wie das Ein- und Ausblenden von Ebenen und deren Herausspeichern bieten auch viele Emulatoren an.

Daniel: Häufig erlebe ich es jedoch, dass ich die so herausgeschnittenen Grafiken im Photoshop noch nachpixeln muss, oder ich male noch Grafiken zu Ende die einfach irgendwo aufhören, da die Entwickler keine vollständige Grafik verwendeten oder ich sie gerne noch weiter hätte. Das macht natürlich nochmals Arbeit. Die Elemente werden dann hochwertig auf Pappe gedruckt und im Anschluss an den Kanten Pixel für Pixel mit einem feinen Messer sorgfältig herausgeschnitten. Insgesamt steckt mehr dahinter, als man auf den ersten Blick sieht, denn wir drucken beispielsweise auch direkt auf die Acrylscheibe und dazu muss man natürlich wissen, wie so etwas geht, wie die Druckdaten angelegt werden müssen und mit welchen Druckverfahren hier gearbeitet werden sollte. Die bedruckten Frontscheiben sind unsere neueste Technik, um noch eine weitere Ebene und noch mehr Tiefe zu bekommen.

Durch die nachträgliche Dimensionalisierung der einst flachen 2D-Retrogames wechselt auch die Perspektive des Betrachters. So wird die Vorstellung darüber, was bei Sidescrollern links oder rechts bzw. bei Horizantalscrollern oberhalb des Screens ist, bedeutungslos. Stattdessen richtet sich der Aufmerksamkeitsfokus auf die Ebenen, die in den 3D-Bildern entstehen, wenn ein flaches 2D-Videogame zusätzlichen Spielraum in die Tiefe erhält. Das ist es, was die Shadowboxer so besonders macht: Der visuelle Effekt, der dann entsteht, wenn zweidimensionale Bewegtbilder in gedruckte 3D-Portraits übergehen, die still stehen.

Kann man die Shadowboxen kaufen?

Diese Frage stellt sich natürlich sofort, weshalb ich die beiden Künstler auch danach gefragt habe. Doch leider ist ein Verkauf in der nahen Zukunft nicht abzusehen. Für Freunde und Bekannte wird in einem ganz engen Bereich schon die eine oder andere Auftragsarbeit angefertigt, teilen mir die beiden Macher mit. Im großen Stil und kommerziell zu produzieren ist einerseits aus Zeitgründen nicht möglich und andererseits verhindern dies die Urheberrechte bei den meisten Spielen sowieso.

Und wenn man die Arbeiten so anschaut, würde wahrscheinlich jeder gerne zugreifen, um sich auf diese Art und Weise mit seinem Lieblingsspiel die Wand zu verzieren:

Turtles in Time Shadowbox, sehr gut ist hier der Schattenwurf zu erkennen.

Turtles in Time Shadowbox, sehr gut ist hier der Schattenwurf zu erkennen.

Fazit

Die Shadowboxer machen beeindruckende Videospielkunst und bringen mit ihrer Arbeit einen Ausschnitt aus der Virtualität in die Realität. Ihre Rahmen laden zum Verweilen ein, zum Nachdenken und Erinnern. Die Tiefenwirkung fesselt den Blick. Deshalb kann ich euch wirklich ans Herz legen, diese kreative Arbeit einmal in Natur anzusehen, denn Bilder und Fotografien der Werke können die Wirkung nicht einfangen.

Eine Chance die Bilder live zu erleben habt ihr z. B. auf den Retrobörsen um Stuttgart und Mannheim. Wem das zu weit ist, dem bleibt nur ein regelmäßiger Blick auf die Facebookseite der Macher, auf der kontinuierlich die neuesten Werke abgebildet werden. Und es bleibt natürlich die Hoffnung auf ein Wiedersehen auf der nächsten gamescom – dann aber mit weiteren Turrican- & Katakis-Shadowboxen oder 3D-Rahmen zu bekannten DOS-Klassikern!

4 Kommentare

  • Kartodis sagt:

    Wirklich schade, dass man die Bilder nicht käuflich erwerben kann. Würde sich auch in meinem Zimmer gut machen, neben den ganzen Collector Editions. Vielleicht irgendwann ja doch mal.

    • Ja das stimmt! Genau das geht vermutlich vielen durch den Kopf wenn sie die Bilder sehen. Und wie mir die beiden Macher erzählt haben, bekommen sie die Frage wo man die Bilder kaufen kann quasi ständig gestellt.

  • […] ihr noch mehr zu den Shadowboxen erfahren möchtet, schaut in unseren Artikel, in dem wir das Shadowboxer-Projekt bereits ausführlich vorgestellt und die Künstler interviewt […]

  • Michael sagt:

    Ich habe die Boxen auf der Retrobörse gesehen. Wirklich tolle Arbeit.
    Wer eine haben möchte, könnte diese sich auch selbst basteln. Ich denke auch wenns lange dauert, freut man sich um so mehr wenn man es dann vorzeigen kann. So geht es den Jungs von Shadowboxer sicher auch.
    Wer keinen passenden Plotter etc. hat, muss eben mit der Nagelschere die Pixelränder bearbeiten :D
    Tip: Die weißen Papier/Pappkanten vielleicht mit schwarzem Edding bemalen, fällt dann nicht so stark auf.
    Viel Spass
    Ich werd auch bald mal eins machen, erst kommt noch ein Book Nook :D

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