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Petro, der Commodore Amigo!

Petro Tyschtschenko schrieb bei Commodore-Amiga Computergeschichte.
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Nicht mehr lang, dann heißt es wieder: Auf nach Leipzig, die Lange Nacht der Computerspiele lädt wieder ein! In freudiger Erwartung an das diesjährige Jubiläum, die Leipziger Spielenacht feiert 2016 nämlich ihren 10. Geburtstag, möchte ich mit einigen Eindrücken an das vergangene Jahr erinnern und ein bisschen Vorfreude wecken! Erzählen möchte ich von Petro Tyschtschenko, den ich 2015 auf der Spielenacht zum zweiten Mal getroffen habe. In seinem Vortrag erzählte er über die Commodore Amiga Produkthistorie sowie den Aufstieg und Fall eines Computerpioniers. Er beschrieb, wie er diese turbulenten Zeiten erlebte und schwelgt dabei in nostalgischen Erinnerungen, die der geneigte Interessent auch in seinem Buch nachlesen kann. Dabei schweift Tyschtschenko gern in amüsante Nebengeschichten ab. Ich erinnere mich noch ganz genau:

Mit einem Lächeln auf den Lippen stand der 72jähre Petro Tyschtschenko auf der Bühne. Die Zuschauer waren still und lauschten gespannt. Der Raum füllte sich gut mit Commodore-, Amiga- und ganz vielen C64-Fans. Die Neugier stieg, welche Geschichten der Commodore Amiga Veteran Petro Tyschtschenko heute mitgebracht hat.

Viren auf dem Commodore?

Doch bevor es richtig losgehen kann, gibt es zunächst gibt es ein paar witzige Startschwierigkeiten. Der betagte Windows PC, der Petros Präsentation abspielen soll, spuckt einige Malware-Warnungen aus und gibt dem Publikum und Petro recht: Commodore ist zu früh gegangen! Und obwohl Commodore keine gravierenden Virenprobleme hatte, so gesteht Petro, es war die mangelnde Software für innovative Heimcomputer Konzepte, die am Niedergang von Commodore eine entscheidende Rolle gespielt hat:

Technisch waren wir immer Vorreiter, nur mit der Software haperte es.

– Petro Tyschtschenko

Commodore Amiga Präsident Petro Tyschtschenko in Leipzig zur LNDC

Hätte es bei Commodore nicht gegeben: Viren kompromittieren die Antiviren Software, später gab es noch Malware Warnungen.

 

Eine Reise durch die Vergangenheit von Commodore und Amiga

Während uns die Commodore und Amiga Produktpalette und die dazugehörigen Erfolge und Schwierigkeiten des Commodore Konzerns präsentiert werden, schweift der Österreicher mit ukrainischen Wurzeln hin und wieder in witzige, manchmal auch traurige, Anekdoten aus seinem bewegten Leben ab. Bereits 1982 betrat er den Computerkonzern Commodore und arbeitete bis zur Jahrtausendwende, also weit über die Insolvenz hinaus, auch in den Folgegesellschaften, die das Erbe von Commodore antraten. Sein Aufgabengebiet erstreckte sich von der Pförtnerverwaltung, über den Einkauf bis hin zum Versicherungswesen und Logistik-Direktor. Zum Schluss war er Präsident.

Die Firma Commodore war ja wirklich führend, wir hatten ja den ersten Computer überhaupt, der in den Heimbereich eingezogen ist. … Wir haben immer gesagt: Der Computer wird die Schreibmaschine ersetzen! Und es ist tatsächlich so gekommen.

Dann kamen die frühen 70er Jahre, da gab es Taschenrechner und LED Uhren. Der James Bond war ja ganz gefragt mit seiner neuen Uhr. Und da hat der Jack Tramiel auch diese Uhren hergestellt. Und ich hab mir sagen lassen: diese Uhren halten wesentlich länger als die von Apple (lacht). Die hat also kein Problem Tag und Nacht zu laufen, ein halbes Jahr war mindestens drin.

1991 kam der CDTV auf den Markt. CDTV – das hieß Commodore Dynamic Total Vision. Und zwar war er der Erste DVD-ähnliche Player den es überhaupt gab. Damals kam auch der CDi von Philips heraus. Das Problem unserer Maschine war: Wir waren 10 Jahre in der Zeit voraus, mindestens! Es gab ja noch keine DVD Player zu der Zeit. Es gab auch keine Software dazu, also keine Spiele und schon gar keine Filme. Das gleiche Problem hatte auch Philips mit dem CDi, sodass sie diesen dann auch sterben ließen. Wir haben damals bei Panasonic 250.000 Geräte bestellt, da wir dachten ‚die laufen wie geschnitten Brot‘ (lacht). Und das wäre ja auch so gewesen, wenn Software dagewesen wäre. Wir haben nur 55.000 verkauft und mussten bei Panasonic die Produktion stoppen. Das hat wahnsinnig viel Geld gekostet und war auch ein Grund warum wir später keine flüssigen Mittel mehr gehabt haben und in den Konkurs gehen mussten.

– Petro Tyschtschenko

 

Nach dem Konkurs ist vor dem Konkurs

Es gelang Petro nach dem Konkurs von Commodore die Marke unter anderen Mutterkonzernen fortzuführen. So erzählt Petro wie er den Commodore Amiga Scherbenhaufen 1995 an ESCOM verkaufte, um seiner alten Firma wieder zu neuem Glanz zu verhelfen. Doch obwohl schwarze Zahlen geschrieben wurden, wirtschaftete die neue Muttergesellschaft ESCOM in den roten Bereich. Ein erneutes Ende war unausweichlich. Doch bevor es dazu kam, erzählt Petro die heute unglaublich wirkende Geschichte, wie sich der C64 nicht verkaufen ließ und als Ladenhüter die Lager füllte.

Den VC-20 gab es nur auf Zuteilung. Der Markt war ja wie wahnsinnig auf den VC-20 fixiert. … 1982 kam dann der Commodore C64 heraus, und zwar zur CES in Las Vegas, die internationale Computerausstellung. Er ist bis heute der meistverkaufte Heimcomputer mit mehr als 17 Millionen Stück. Das muss man sich mal vorstellen, der C64.

Ich kann mich noch erinnern, ganz kurze Geschichte von Jack Tramiel: Jack Tramiel war ja damals der oberste ‚Kriegsherr‘. Er kam nach Frankfurt und hat ein Meeting anberaumt. Oder wie wir immer gesagt haben: ‚GSP‘ – großes Sack putzen (lacht). Er hat dann gesagt er hätte sich die Inventurlisten angeschaut und gesehen, dass die VC20 alle weg sind. Aber mit Schrecken hätte er entdeckt, dass 36.000 C64 am Lager sind. Da war es dann ganz still, denn der C64 ist einfach nicht abgeflossen. Es wurde aber auch keine Werbung gemacht. Der VC20 wurde nach wie vor verkauft, denn die Händler haben alle den VC20 bestellt, der C64 lag jedoch wie Blei. Da hat der Jack Tramiel in seiner ‚Art‘ – chilenisch-demokratisch hat er das gemacht (lacht) – dem Verkauf und dem Management angeordnet, dass er innerhalb eines Monats keinen C64 mehr sehen will. Da haben wir dann angefangen mit Commodore Werbung zu betreiben.

– Petro Tyschtschenko

 

 Amiga: aus dem Rennstall der Commodore Heimcomputer

Petro erzählt weiter und kommt zur Marke Commodore Amiga und wie dieses neumodische Multimedia Gerät das Portfolio von Commodore auffrischen sollte.

1985 kam die erste [AMIGA] Multimedia Maschine auf die Welt und wurde im Rockefeller Center in New York vorgestellt. Das war ein riesen Aufwand der da betrieben worden ist. Es hat sehr sehr viel Geld gekostet, aber der Amiga ist in Amerika nicht so gelaufen wie wir uns das eigentlich vorgestellt hatten. Der Markt für den Amiga war eigentlich nur Europa: England war sehr sehr stark, Deutschland war sehr sehr stark, gefolgt von Italien, Frankreich, Spanien. Und die skandinavischen Länder waren auch sehr stark. Wir haben es damals noch gar nicht gewusst – 1985 – was eigentlich Multimedia ist. Wir haben zusammen gesessen, da kann ich mich noch erinnern: Multimedia ist Audio und Video … zusammen gemischt.

’92 kam dann auch mein Lieblingscomputer, der Amiga 1200, das war eigentlich der Nachfolger vom A500. Ich bin dann 2014, also gut zwanzig Jahre später, von einem ehemaligen Händler aus Indien angerufen worden. Der hat gesagt: hör mal Petro, Du hast mir damals 10.000 Amiga 1200 verkauft, ich kann die selbst in Indien nicht mehr absetzen. Hast Du vielleicht noch Verwendung dafür? (lacht) Dann hab ich in facebook bisschen rumgeguckt und ihm gesagt ’schick mir mal 50 Stück!‘ – Er hat mir dann 60 Stück geschickt und innerhalb von 2 Tagen waren die weg. Und dann hab ich natürlich nochmal nachbestellt und die waren auch schon wieder weg. Aber die Qualität wurde immer schlechter. Am Anfang hat er die Besten geschickt und dann hat er im Lager geschaut welche Restbestände noch sind. Alles in den Container ‘reingehaun und dann hatte ich natürlich viel Ärger. Die Kondensatoren sind recht schwächlich, auch durch die jahrelange Lagerung laufen die Kondensatoren aus und müssen ersetzt werden. … Interessant ist vielleicht zu wissen, die Lifetime vom Amiga 1200 betrug eigentlich nur 5 Jahre.

– Petro Tyschtschenko

5 geplante Lebensjahre werden nun schon bald 25, die der 1200er auf dem Buckel hat. Damals ahnte niemand, wie stark die Marken Commodore und Amiga und insbesondere auch die Geräte C64 sowie die Amiga Maschinen die Nutzer in der Heimcomputer-Ära prägen werden. Aber das war im Grunde nur die Konsequenz, da die Produktzyklen noch verhältnismäßig lang waren.

Commodore Amiga auf der gamescom zum Anfassen

Die nachfolgenden Bilder entstanden bereits auf der gamescom 2014, auf der Petro Tyschtschenko den letzten Commodore Amiga Prototyp ausstellte. Es handelt sich um den Amiga Walker (Mind Walker), den Petro viel lieber Sprinter genannt hätte. Die 40MHz schnelle Amiga Neuentwicklung entstand unter der Fahne von ESCOM und wurde zur CeBIT 1996 vorgestellt, erlangte jedoch nie die Serienreife. Damit ist das Gerät heute ein extrem seltenes Sammlerstück.

Auf der gamescom 2014 ergatterte das Pixelnostalgie-Team auch ein Exemplar seines Buches „Meine Erinnerungen an Commodore und Amiga“ – inkl. Autogramm:

Petro Tyschtschenkos Memoiren (hier erhältlich) erschienen kurz vor der 2014er gamescom und erfreuen sich in der Retro-Szene großer Beliebtheit. Schließlich ist Petro einer der wenigen Zeitzeugen aus dem deutschsprachigen Raum, der so lang die Geschäfte des Heimcomputer Herstellers betreute – zuletzt sogar als Präsident. Sein Buch umfasst seinen persönlichen Lebensweg, wie er zu Commodore kam, sowie die Höhen und Tiefen des Konzerns. Im Anhang befinden sich zahlreiche interessante Dokumente, Tabellen und Berichte aus der Commodore und Amiga Ära, die er mithilfe seiner umfangreichen Unterlagen zusammentragen konnte. Petro Tyschtschenko überstand schließlich drei Konkurse und wurde zum Schluss sogar auf 186 Millionen Dollar verklagt. Viel Stoff für einige Stunden unterhaltsame Computergeschichte. Die hat Petro nämlich maßgeblich mitgeschrieben!

Wenn ihr Petro auch einmal sehen möchtet, empfehle ich euch die folgende, sehr bewegende Rede zum 30jährigen Amiga Jubiläum in Neuss und mit etwas Glück könnt ihr ihn auch auf der Langen Nacht der Computerspiele 2016 in Leipzig sehen.

'Meine Erinnerungen an Commodore und Amiga'

Das Buch von einem der längsten deutschen Commodore Amiga Mitarbeiter: Petro Taras Tyschtschenko. Er beschreibt in seinen Memoiren die Geschichte des prägenden Heimcomputerhersteller und erzählt von seinen Erlebnissen beim Hersteller des berüchtigten C64 und den Amiga Multimedia Maschinen.

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